Warum die Norah-Studie unethisch ist


Warum die Norah-Studie unethisch ist

Die Ärzte haben sich eine Berufsordnung gegeben, in der auf der Grundlage der Medizin-Ethik ihre Aufgaben und Pflichten niedergelegt sind. Darin gelobt der Arzt, Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen mitzuwirken.
Diese Verpflichtung hat kürzlich Ärzte dazu bewogen, in einer Resolution den Abbruch der Norah-Studie und sofortige Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Menschen vor den Gefahren des Fluglärms zu fordern.  Diese Resolution wurde innerhalb einer Woche von fast 100 weiteren Ärzten unterzeichnet.
Was waren die Gründe für dieses Engagement?
Seit der Eröffnung der neuen Landebahn sind über hunderttausend Bewohner einer seit alters her dicht besiedelten Region einem heimtückischen Umweltgift ausgesetzt, dem Fluglärm. Heimtückisch, weil sich die gesundheitlichen Folgen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen erst nach Jahren und Jahrzehnten manifestieren.
Ein Prinzip der medizinischen Ethik ist die Schadensvermeidung, schädliche Eingriffe sind zu unterlassen. Die heute wissenschaftlich belegten Daten lassen keinen Zweifel daran zu, dass Fluglärm gesundheitlichen Schaden verursachen kann. Vor diesem Hintergrund widerspricht es den Prinzipien der medizinischen Ethik, dass in Kenntnis dieser Gefährdung die Belastung der Menschen mit dem Umweltgift Fluglärm gesteigert wird, um dann die Folgen in einer Studie, der Norah-Studie, zu erfassen. Den Prinzipien der Ethik entsprechend hätte die Studie vor Beginn des Flughafenausbaus durchgeführt werden können. Die Ergebnisse wären mit den Menschen der Region zu diskutieren gewesen, mit einer transparenten Analyse von Nutzen und Risiken.
In diesem Zusammenhang sei auf das Vorsorgeprinzip verwiesen, auf das auch die Deklaration von Rio 1992 verweist: Wenn der Wissensstand noch nicht ausreicht, die Folgen eines Eingriffs in die Natur für die Menschen abzuschätzen, hat immer der Schutz der Gesundheit des Menschen den Vorrang.
Eine Entschließung des 115. Deutschen Ärztetags vom Mai 2012 ergänzt: "Es ist nicht hinnehmbar, wirtschaftliche Interessen wider besseres Wissen flächendeckend zu Lasten der Gesundheit und der Lebensqualität der Bevölkerung durchzusetzen."
Die Norah-Studie ist die Fortsetzung eines seit über zehn Jahre währenden Taktierens des Dialogforums und seines Nachfolgers, des Umwelthauses, wobei den Menschen der Region eine Fürsorge vorgegaukelt wird, die tatsächlich nicht existiert. Alle Aktionen dieser Organisationen verfolgten offensichtlich den Zweck, die Menschen über das wahre Ausmaß der Gefährdung durch Fluglärm zu täuschen.
Dass dem so ist, belegt der Umgang der Organisationen mit den gesundheitlichen Risiken während der letzten zehn Jahre.
Im Mediationsbericht wurde bereits 1999 auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Flughafenausbau hingewiesen. Weitere Forschungsarbeiten wurden als notwendig erachtet.
Das Dialogforum nahm sich im Mai 2001 anscheinend dieser Fragestellung an und gab eine Machbarkeitsstudie mit dem Titel "Gesundheitliche Lebensqualität und Fluglärm" in Auftrag. Ziel der Studie sollte die Erfassung objektiver Daten zur Auswirkung des Fluglärms auf die Gesundheit sein.
2003 hatte diese Machbarkeitsstudie plötzlich einen neuen Namen, die Gesundheit war aus dem Titel getilgt worden und es wurde nun eine "Studie zur Belästigung durch Fluglärm im Umfeld des Frankfurter Flughafens" daraus. Durchführendes Institut der Machbarkeitsstudie war die ZEUS GmbH.
Die ZEUS GmbH hat dann die Ausschreibung zur Durchführung der Studie gewonnen. Der Veröffentlichung der Ergebnisse 2006 war zu entnehmen, dass keine objektiven Gesundheitsdaten erfasst wurden und auch Kinder anders als anfänglich geplant in die Untersuchung nicht mit einbezogen wurden. (64 Prozent der Befragten fühlten sich durch Fluglärm mittelmäßig bis äußerst gestört oder belästigt, davon 41 Prozent stark bis äußerst stark)
Eine nachträgliche Auswertung der Daten dieser RDF-Belästigungsstudie im Auftrag des Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt 2009 ergab, dass die "Flugverkehrsgeräuschbelastung" die Gesundheit der Bevölkerung nicht negativ
beeinträchtigt. Einige der Autoren sind mit denen der RDF-Belästigungsstudie identisch.
Die Politik hat die verharmlosende Bezeichnung "Belästigung" für die Auswirkungen des Fluglärms gerne übernommen, die gesundheitlichen Gefahren wurden über Jahre hinweg systematisch bei der politischen Diskussion ausgeklammert. Fast alle Politiker, mit denen wir sprachen, wussten entweder nichts von den Risiken oder verharmlosten sie. Jetzt, nach über zehn Jahren der Tatenlosigkeit, der Flughafenausbau ist abgeschlossen, fordern die Politiker die Norah-Studie. Ich empfinde diese Beruhigungspille für die Menschen der Region als pure Heuchelei.
Wir Ärzte versichern Ihnen, dass wir unseren Pflichten  nachkommen werden und uns für Ihr in der Verfassung verbrieftes Recht auf körperliche Unversehrtheit weiterhin einsetzen werden.
Prof. Dr. med. Ernst-H. Scheuermann

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